Nachruf auf GSSG-Fachbeirätin Gaby Lenz von Harriet Langanke
Gaby Wirz bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 2011 (Foto: Sabine Faber)
Nachruf auf GSSG-Fachbeirätin Gaby Lenz von Harriet Langanke
3. Dezember 2020:
Unsere Fachbeirätin Gaby Lenz – die die meisten noch als Gaby Wirz kennen – ist gestern gestorben. Nach langer Krankheit, friedlich und ohne Schmerzen, daheim im eigenen Bett, wie ihr Mann Jochen mich informiert hat.
Gaby war nicht nur Fachbeirätin der GSSG, sondern auch eine enge Freundin. „Herzensfreundinnen“ seien wir, sagte sie. Neben der persönlichen Verbundenheit, die schon in den frühen 1990er Jahren begann, legte Gaby auch die Grundsteine der Stiftung. Denn sie war von Beginn an bei fast allen Projekten der GSSG aktiv und gestaltend beteiligt.
Allen voran gilt das für das bundesweite Netzwerk Frauen und Aids. Bei einem seiner Treffen haben wir uns Anfang der 1990er Jahre im Waldschlösschen kennengelernt. Schon bei dieser ersten Begegnung „klickte“ es zwischen uns. In den Folgejahren haben wir gemeinsam Treffen geleitet, Themen entwickelt und leidenschaftlich gestritten. Denn wo ich Grenzen ziehen wollte, baute sie Brücken. Gaby war es, die durchsetzte, dass an den Treffen des Netzwerks auch interessierte Männer teilnehmen konnten – sofern die Leitung dem zustimmte. Wo ich polarisierte, wirkte sie integrierend.
Für die DHIVA, das Magazin für Frauen zu Sexualität und Gesundheit, war Gaby bis zuletzt als Ressortleiterin engagiert. Als das Magazin im Jahr 2001 noch kein Magazin, sondern eine schwarz-weiße Kopiervorlage war, sicherte Gaby mit einer Notausgabe, der Nummer 19, den Fortbestand des Heftes. Die DHIVA ist bis heute 80 Mal erschienen.
Es ist sicher kein Zufall, dass Gabys festes DHIVA-Ressort der letzten Jahre den Titel „LiebesLeben“ trägt. Denn das war eines ihrer Lebensthemen: die Liebe zu den Menschen. Sie liebte unkonventionell und umfassend, im Privaten wie im Professionellen. Was für Gaby ohnehin ineinander floss. Genauso wenig ist es Zufall, dass sie die Podcast-Reihe „Standpunkt“ initiierte, und damit unseren kontroversen Diskussionen einen Rahmen gab. Denn immer wieder forderte sie mich mit ihren anderen Ansichten heraus, half mir, andere Perspektiven einzunehmen und meine eigenen Positionen zu überdenken. Sie forderte Vielfalt ein, lange bevor ich lernte, die als „Diversity“ zu buchstabieren. Das lässt sich heute noch gut an der gemeinsamen Postkarten-Serie ablesen, die sie 2009 als Geschäftsführerin des Landesverbands der Aids-Hilfen Baden-Württemberg mit der GSSG herausbrachte. Im Twinning-Projekt der GSSG zur Welt-Aids-Konferenz in Wien hat sie mitgearbeitet, damit möglichst viele Frauen aus Ost und West daran teilnehmen konnten. Sie selbst konnte dann nicht dabei sein. Als ich klagte, dass sie mir vor Ort fehlte, ließ sie mich das Kopfkissen in meinem Pensionszimmer dekorieren: „Dann bin ich symbolisch bei euch.“
Gaby war nicht nur in der GSSG engagiert. Sondern auch in der Arbeit von Aidshilfen. Von der Aidshilfe im Saarland über den Landesverband Baden-Württemberg, die Deutsche Aids-Hilfe und die Aids-Hilfe NRW führten ihre beruflichen und ehrenamtlichen Stationen. Als eine von wenigen Frauen, die sich mit ihrer HIV-Infektion öffentlich machten, musste sie auch Verletzungen ertragen. Als sie in den Nationalen Aids-Beirat berufen wurde, hagelte es Anfeindungen, ihr wurde sogar der eigene HIV-Status abgesprochen. Gaby hat sich von solchen Anwürfen nicht aus dem Konzept bringen lassen. Als studierte Diakonin war sie geübt darin, ihre Feind:innen zu umarmen. Und das meinte sie dann tatsächlich aufrichtig.
Öffentliche Anerkennung fand ihr enormes gesellschaftliches und politisches Engagement 2012. Im Januar erhielt sie, als eine der jüngsten Frauen in Baden-Württemberg, das Bundesverdienstkreuz. In ihrer Dankesrede bekannte sie sich zum Ursprung ihres Engagements, zu ihrem nicht unterdrückbaren „Kampfesgeist gegen Ungerechtigkeit“. Ich durfte die Verleihung mit ihrer wunderbaren Familie und ihrem Freund feiern.
Auch im Privaten war Gaby unkonventionell, kreativ und liebend. Bei einem unserer gemeinsames Segeltörns wurde sie schlimm seekrank. Doch statt zu jammern, strahlte sie nach jedem „Fischefüttern“ den Rest der Crew an, begeistert vom Abenteuer. Und schrieb dann zauberhafte Gedichte über den Seegang und zeichnete elegante Sturmvögel. Genau so werde ich sie in Erinnerung behalten: voller schöpferischer Energie und umfassender Liebe.
Die Whatsapp-Gruppe, mit der ihre Freund:innen sie in ihrer Erkrankung begleiteten konnten, hieß „Kobi muss kleiner werden“. Auch darüber haben wir gestritten. Kobi, wie sie ihren Tumor nannte, sollte nur „kleiner werden“? Ich hätte viel lieber gelesen: „Kobi muss weg.“ Aber irgendwie hat sie wohl sogar ihre Krebszellen geliebt.